Warum USA?

Wenn ich in Gesprächen auf meine Leidenschaft, die USA, zu sprechen komme, taucht immer wieder die Frage auf, warum gerade die Vereinigten Staaten von Amerika mein „Land“ sind. Ich möchte versuchen, diese Frage zu beantworten.

Ich bin in einem oberbayerischen Dorf mit 3.500 Einwohnern aufgewachsen, nur 45 Minuten mit dem Zug von München entfernt, aber weit genug, um es als ländlich bezeichnen zu können. Für uns war schon ein Ausflug nach München etwas Aufregendes, eine Reise in die USA kaum vorstellbar.

Da mein Onkel aber in den 90er Jahren schon mehrmals in die USA gereist war, sprang die Faszination auch auf mich über. Er wohnte damals im Erdgeschoss des Hauses, in dem meine Oma im Obergeschoss lebte. Im Treppenhaus hingen Bilder von seinen Reisen, die berühmte Sehenswürdigkeiten wie den Grand Canyon oder das World Trade Center zeigten.

Besonders fasziniert war ich von einer Landkarte der USA, auf der er seine Reisen eingezeichnet hatte. Außerdem gab es für jeden Staat, den er besucht hatte, einen Pin mit den Umrissen des Staates.

Neben meinem Onkel war es aber auch mein Vater, der mir diese Faszination weitergegeben hat. Wie mein Onkel interessiert er sich vor allem für die Geschichte der USA. Gemeinsam wurden schließlich Pläne für einen Besuch in den USA geschmiedet und im Juli 1998 flogen mein Vater, mein Onkel und ich nach Los Angeles. Um die 25-tägige Reise antreten zu können, durfte ich damals sogar das Berufsgrundschuljahr vorzeitig beenden.

Obwohl ich erst 16 Jahre alt war und die Reise nun schon über 25 Jahre zurückliegt, kann ich mich an erstaunlich viele Details erinnern. Schon am Flughafen in Los Angeles kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dieser Trubel, diese Autos, alles wie im Fernsehen! An die Atmosphäre im Hotel, in dem wir die erste Nacht verbrachten, erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen. Die Lichter am Pool, der Lärm der startenden Flugzeuge über uns, die Hitze und das Rattern der Klimaanlagen.

Bevor das Internet zum Massenphänomen wurde, war unsere Reise noch ein echtes Abenteuer. Wir schliefen hauptsächlich im Zelt und eine geplante Route gab es vor der Reise nicht. Wir hatten vier Wochen Zeit und nur wenige feste Ziele. Nur die erste und die letzte Nacht waren gebucht, dazwischen künstlerische Freiheit. So kam es, dass wir im Yosemite National Park nicht übernachten konnten, weil er ausgebucht war. Die anschließende Suche nach einer Unterkunft dauerte bis spät in die Nacht. Vielleicht wären wir weiter nach Moab gefahren und nicht durch den Süden Arizonas, wenn wir gewusst hätten, was für wunderschöne Nationalparks dort auf uns warten würden.

Rückblickend war die erste Reise auch deshalb etwas Besonderes, weil sie nicht perfekt geplant war. So mussten wir für die letzten Tage auf einen Campingplatz im Hinterland ausweichen, da alle anderen ausgebucht waren. Mit dem Ortega Campground haben wir aber einen absoluten Glücksgriff getan und uns dort sehr wohl gefühlt. Das lag nicht zuletzt an der Herzlichkeit der Gastgeberfamilie.

Leider dauerte es fast 12 Jahre, bis ich 2010 das gelobte Land wieder betreten konnte. Da die Reise wieder an die Westküste führte, konnte ich viele Erinnerungen aufleben lassen und irgendwie schloss sich für mich dadurch auch ein Kreis. Es folgte 2012 die erste Reise an die Ostküste und zwei Jahre später flog ich zum ersten Mal zweimal innerhalb eines Jahres in die Staaten. 2015 wagte ich das bis dahin größte Abenteuer meines Lebens und setzte mich allein in ein Flugzeug, um drei Wochen lang die Westküste und die angrenzenden Bundesstaaten zu bereisen. Bis heute gehört dieser Urlaub zu den intensivsten und schönsten Erfahrungen, die ich in meinem Leben machen durfte.

Mittlerweile war ich mehr als ein Dutzend Mal in den USA und habe schon über neun Monate meines Lebens dort verbracht, und dennoch hat dieses Land nichts von seiner Faszination verloren. Auch wenn das überlange Wohnmobil, die achtspurige Autobahn oder die 2-Kilogramm-Packung Hackfleisch heute eher ein Schmunzeln als ein Staunen hervorrufen. Mittlerweile habe ich auch 42 von 50 Staaten bereisen können und sollte ich die Chance bekommen, auch die restlichen Staaten zu bereisen, habe ich die Pins für meine eigene Landkarte schon in der Schublade.

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